Zwischen Düsen- und Propellerflugzeug: Der Fanjet bietet günstige Jet-Ausbildung (2024)

Seit 1969 gibt es bei Flugzeugen eine weitere Alternative zu Propeller oder Düse. Für Schulungszwecke beim Umstieg ins Düsenflugzeug gedacht, schaffte die betriebsgünstige Mantelschraube den Durchbruch jedoch nicht. Ein Comeback scheint nun aber möglich.

Jürgen Schelling

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Zwischen Düsen- und Propellerflugzeug: Der Fanjet bietet günstige Jet-Ausbildung (1)

Wenn dieser zivile Zweisitzer landet, wird er sofort von Interessierten umringt. Kein Wunder, denn für dieses ungewöhnliche Flugzeug ist der Begriff «äusserst selten» eine echte Untertreibung. Lediglich drei flugfähige Exemplare des Fantrainer gibt es noch. Auf dem deutschen Flugplatz Mainz-Finthen trafen sie im September zusammen. Das ist ein ungewöhnliches Ereignis: So sind alle noch auf der Welt fliegenden Exemplare dieses Typs vereint.

Der Fantrainer war zu seiner Zeit Ende der 1960er Jahre eine aviatische Revolution. Denn ein Flugzeug wird entweder von einem Propeller oder von einem Strahltriebwerk angetrieben, dazwischen gibt es nichts, so war zumindest damals die Meinung.

Der deutsche Luftfahrtpionier und Ingenieur Hanno Fischer dachte anders. Es musste noch eine dritte Variante geben, die die Vorteile einer betriebsgünstigen Propellermaschine mit den Flugeigenschaften eines Jets kombinieren sollte. Denn ein Flugzeug mit Luftschraube hat immer spezielle Eigenheiten beim Fliegen, etwa wenn Gas gegeben, Leistung weggenommen oder auch gestartet wird. Da verhält es sich durch unterschiedliche sogenannte Propellermomente deutlich anders als ein Jet. Beim Umstieg auf Düsenantrieb muss der Pilot also umlernen und vieles vergessen, was er gewohnt ist. Das macht die Ausbildung eines Militärjet-Piloten teuer.

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Um diese Unterschiede in den Flugeigenschaften zu minimieren, ohne aber ein Flugzeug mit den Kosten eines Jet-Antriebs zu bauen, suchte Fischer eine Lösung. Seit den frühen 1960er Jahren experimentierte er mit einem ungewöhnlichen Antriebskonzept – der Mantelschraube. Diese steckt mitten im Rumpf des Flugzeugs, der Fünfblatt-Fan sieht ein bisschen aus wie ein gekürzter Propeller.

Die Mantelschraube ist aber von einem Gehäuse umgeben, so dass – anders als beim offenen Propeller – keine rotierenden Teile Umstehende erfassen und verletzen können. Zudem sitzt sie kurz hinter dem Schwerpunkt des Flugzeugs. Ihr Luftstrom kann parallel zur Längsachse des Flugzeugs verlaufen, was der Bauweise eines Jet entspricht. Die Mantelschraube lässt sich ähnlich wie ein Verstellpropeller in ihrem Steigungswinkel verändern.

Nach dem Erstflug des Versuchsträgers im Mai 1969 und der Flugerprobung zweier weiterer Prototypen mit Mantelschraube ging am 27.Oktober 1977 erstmals ein Flugzeug in die Luft, das dieser exotischen Technik zur Serienfertigung verhelfen sollte – der Fantrainer von Rhein-Flugzeugbau im deutschen Mönchengladbach.

Zwei Premieren auf einmal

Genaugenommen hatte der neuartige Flugzeugtyp gleich zwei revolutionäre Antriebe an Bord. Denn seine Mantelschraube wurde anfänglich durch einen Wankelmotor mit kreisenden Kolben in Rotation versetzt. Der vibrationsarme Benziner schien damals vor einer glänzenden Zukunft zu stehen. Auto- und auch Flugzeugbauer sahen im Wankel den Verbrennungsmotor der kommenden Jahrzehnte – ein Trugschluss. Als zu durstig erwies sich der Kreiskolbenmotor, er schaffte den Durchbruch nicht.

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Ende der 1970er Jahre stiess der Prototyp des zweisitzigen Fantrainers mit Mantelschraube kurzzeitig auf das Interesse bei den damaligen Verantwortlichen der Bundeswehr. Es galt als mögliches Flugzeug für eine Jetpilotenausbildung in Deutschland. Damals trat ein Prototyp schon mit Turbine anstelle des Wankelmotors im Vergleichsfliegen auch gegen den schweizerischen Turboprop Pilatus PC-7 und ein amerikanisches Muster an. Denn der ursprünglich vorgesehene Audi-NSU-Wankelmotor ging nicht wie erhofft in Serie.

Die Bundeswehr empfahl stattdessen eine Allison-250-C-20-Turbine. Diese war bereits durch ihre Verwendung im Helikopter MBB Bo105 bekannt und galt als zuverlässig. Das Ergebnis des Vergleichsfliegens blieb ohne Bedeutung, denn die deutsche Luftwaffe entschied sich, ihre Ausbildung auf Kampfflugzeugen komplett in die USA zu verlegen. Deshalb brauchte es kein spezielles Trainingsflugzeug für Deutschland mehr.

Mittlerweile hatte allerdings die thailändische Luftwaffe Gefallen am deutschen Tandemsitzer gefunden. Also wurde bei Rhein-Flugzeugbau doch noch mit dem Serienbau begonnen. Insgesamt 50 Turbinen-Fantrainer entstanden, von denen 47 in das südostasiatische Land gingen – viele davon als Bausatz. Bei all diesen Exemplaren wurde die Mantelschraube nicht mehr von einem Wankelmotor, sondern einer Turbine angetrieben. Drei Maschinen sind in Privathände gelangt.

Heute fliegen weltweit nur noch diese drei Exemplare, die alle in Deutschland stationiert sind. Bei ihnen treibt eine bewährte Allison-C-250-Turbine die Mantelschraube an. Entweder mit 650 PS im Fantrainer 600 oder als schwächere Version mit rund 420 PS in der Variante 400. Die militärischen Schleudersitze sind heute allerdings ausgebaut. Stattdessen tragen die Piloten einen Fallschirm umgeschnallt, wie es etwa beim Kunstflug Vorschrift ist.

Der Fanjet kann bis 25000 Fuss (7620 Meter) hoch fliegen. Seine maximale Reisegeschwindigkeit beträgt 440 km/h. Aussergewöhnlich sind seine kurzen Start- und Landestrecken: Nach nur 250 Metern hebt er bei normalen Bedingungen bereits ab, nach dem Aufsetzen benötigt er lediglich 300 Meter Pistenlänge bis zum Stillstand.

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Der mattgraue Fantrainer 600 gehört dem deutschen Unternehmer Andreas Sattler aus Schorndorf bei Stuttgart und seiner Firma FanJet Aviation GmbH. Der schwäbische Geschäftsmann ist schon lange in der Luftfahrtbranche tätig. Er besitzt eine Berufspilotenlizenz und steuert neben einer zweimotorigen Piper-Turboprop mit seinem Fantrainer 600 das wohl ungewöhnlichste Geschäftsreiseflugzeug in Deutschland. Die Maschine ist genau wie eine Cessna oder Piper zivil registriert und darf überall landen. Der Mantelschrauben-Klang ist zwar aussergewöhnlich und tönt fremdartig, aber bestehende Lärmgrenzwerte werden eingehalten. Doch gäbe es noch Potenzial, die Geräuschentwicklung weiter einzudämmen.

Vor 13 Jahren hat Sattler die Dokumentation über Konstruktion, Flugerprobung und Zertifizierung des Fantrainers gekauft. Dazu zählen Unmengen technischer Unterlagen. Zudem erwarb er Werkzeuge zum Bau des Flugzeugs sowie eine Vielzahl an Ersatzteilen. Warum also nicht den Fantrainer unter einem neuen Namen als «Fanjet» wieder in die Luft bringen? Denn die frühere Luftfahrt-Zulassung der Maschine, das sogenannte Type Certificate, wäre von FanJet Aviation bei einem Neustart wieder aktivierbar.

Dadurch könnte das einst Millionen Mark teure und aufwendige Flugtestprogramm grösstenteils entfallen, was die Kosten minimieren würde. Selbst die Allison-C-250-Turbine, die bereits in den 1980er Jahren die Fantrainer 400 und 600 antrieb, ist heute noch vom Triebwerksbauer Rolls-Royce fabrikneu lieferbar.

Damals schauten die zumeist thailändischen Crews allerdings noch auf unzählige kleine Instrumente und Anzeigen in den beiden Instrumentenbrettern für den vorne sitzenden Pilotenschüler und den hinter ihm positionierten Fluglehrer. Das wäre heute veraltet. Angehende Piloten sind es gewohnt, auf moderne Displays zu schauen. Dort können alle wichtigen Daten wie Geschwindigkeit, Höhe, Steigen oder Sinken, Fluglage und Position auf einen Blick erfasst werden. Die Umrüstung auf eine zeitgemässe Flugzeugelektronik (Avionik) wäre allerdings wohl mit überschaubarem Aufwand zu schaffen.

Der dann Fanjet 600 genannte Zweisitzer könnte deshalb als ziviles Trainingsflugzeug erneut auf den Markt kommen. Denn er ist vielseitig einsetzbar. So müssen angehende Linienpiloten in Europa heute ein sogenanntes «Upset Prevention and Recovery Training» absolvieren. Dabei werden von den künftigen Verkehrsflugzeugführern unübliche Fluglagen im echten Flugzeug statt im Simulator geübt. Dabei geht es vor allem darum, wie man aus misslichen Situationen wieder heil herauskommt. Dafür wäre der kunstflugtaugliche Fantrainer gut geeignet.

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Wer Privat- oder Berufspilot ist und sich den Traum vom Jet-ähnlichen Fliegen einmal selbst gönnen will, kann sogar ein sogenanntes Type Rating absolvieren. Dieses umfasst eine theoretische Einweisung sowie je nach individueller Vorbildung und Talent einige Stunden praktisches Fliegen mit Fluglehrer sowie dem Prüfungsflug. Als Ergebnis kommt dann der Fantrainer ins Flugbuch der Flugzeugtypen, die der Absolvent fliegen darf.

Das ungewöhnliche Erlebnis ist allerdings nicht ganz billig: Je nach fliegerischer Vorkenntnis sind bis zu 30000 Franken für das Type Rating auf dem Fantrainer zu bezahlen. Allerdings beschert dies auch ein exklusives Vergnügen. Auf die unter Piloten übliche Frage, ob man «Prop oder Düse» fliege, kann man lässig sagen: «Weder noch, ich fliege Mantelschraube.»

Womöglich feiert der exotische Antrieb sogar ein Comeback in einem neuartigen Modell: In den Niederlanden entwickelt die Firma Cormorant gerade ein Amphibienflugzeug für bis zu sieben Passagiere, Fracht oder eine Mischung aus beidem. Seinen emissionsfreien Antrieb soll eine Mantelschraube übernehmen, die von einem Elektromotor in Rotation versetzt wird.

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